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Wann haben wir aufgehört, für unsere Rechte einzustehen?

 

 

„Ich mache den Bachelor zu Ende, dann möchte ich erstmal eine Familie gründen“, sagte ich.

- „Und wann willst du dann mal richtig arbeiten gehen?“, fragte Mann mich.

 

„Ich möchte nach der Geburt langsam wieder in den Master einsteigen“, sagte ich.
- „Du brauchst keinen Master, dein Sohn braucht ein Geschwisterchen!“, sagte Mann mir.

 

 

Zwei Aussagen, zwei Zukunftsentwürfe, zwei Vorhaltungen, die in vollkommen unterschiedliche Richtungen gehen, aber eines ganz klar gemeinsam haben: Die Dreistigkeit dieser Personen, die in keinster Art und Weise das Recht besitzen, über mich, meinen Uterus oder meinen akademischen Abschluss zu entscheiden, zu urteilen oder zu befehlen.                               
Und bitteschön, wenn sich Mensch des anderen Geschlechts schon dazu berechtigt fühlt, über meine Zukunftsperspektiven zu entscheiden, dann möge er sich doch bitte wenigstens über eine Richtung einig werden:
Soll ich nun arbeiten gehen, weil „nur“ Mutter sein mich nicht zu einem produktiven Mitglied der Gesellschaft macht? Weil ich damit, dass ein Lebewesen in meinem Körper heranwächst, sich in mir seine Zellen teilen, es durch mich ernährt und versorgt und letztendlich in einem Akt unvorstellbarer Schmerzen von mir zur Welt gebracht wird, nichts zum Bruttoinlandsprodukt beitragen kann?
Oder soll ich weiter Kinder kriegen, weil das schließlich das einzige ist, was ich kann? Weil ich doch jetzt einmal damit angefangen habe? Weil meine Rolle als Mutter ab sofort, die einzige ist, der ich nachzukommen habe? Weil ich mein Kind sonst nicht liebe? Es nicht annehme?

 

Was, oh du lieber, weißer, europäischer Mann mittleren Alters, wäre dir lieber? Womit könntest du besser einschlafen? Was von beidem würde dein antiquiertes Weltbild nicht vollkommen zerstören? [Okay. No Offense. Es gibt durchaus Menschen, Männer, auch weiß, europäisch und mittleren Alters, mit einem gesunden Verständnis dafür, dass Frau doch tatsächlich das tun darf, was sie sich für sich persönlich gerne wünscht.]

 

Aber sind diese Fragen, ist diese Art, wie ein Teil der Gesellschaft über die weibliche Zukunft entscheiden möchte, eigentlich überhaupt das Problem? Mit Sicherheit! Aber unsere Reaktion darauf hat einen entscheidenden Anteil daran. Wann haben wir aufgehört, für unsere Rechte einzustehen? Ich sehe mich selbst noch in diesen beiden Situationen. Wie ein Schulmädchen habe ich da gesessen, beschämt gelächelt, wie jemand, der schon versteht, dass gerade ein Witz auf seine Kosten gemacht wurde, aber dann nur entwaffnend „Ach, du Blödmann!“, in die Runde zwinkert. Was für ein Trauerspiel.
„Würdest du das auch zu deiner Tochter sagen?“, hätte ich fragen sollen. „Welche Antwort würde dich am meisten befriedigen?“, „Wer hat dich zu meiner Zukunft befragt?“. Nichts davon. Nichts davon habe ich artikulieren können.    


Im Nachhinein, da mir diese Sätze immer wieder durch den Kopf gespukt sind, wünschte ich mir, ich hätte ihnen etwas entgegengesetzt. Ein Statement. Eine Stellungnahme. Ich wünschte, ich hätte meine eigene Flagge gehisst, sie anmutig im Wind wehen sehen. Ich wünschte, ich hätte den Mund aufgemacht.
Frauen jeglicher Nationalität, ob Mutter oder nicht, ob Studentin, Hausfrau, Vorstandsvorsitzende, Schülerin, Reinigungskraft, Ingenieurin, Agrarwisseschaftlerin, … sollten dahin zurückkehren, oder damit anfangen, in diesen Situationen jeden Kontrahenten, jede Kontrahentin, mit ihren oder seinen Vorstellungen zurück in eine Zeit zu verbannen, als diese Ansichten noch nicht kritisch hinterfragt wurden. Dort werden sie sich wohlfühlen. Dort gehören sie hin.
Wir. Hier und heute. Wir sollten für unsere Entscheidungs- und Entfaltungsfreiheit einstehen, wie Frauen es seit Jahrhunderten tun, um das zu würdigen, was wir schon erreicht haben, und um es auszubauen! Und ich freue mich aufrichtig auf den nächsten Moment, in dem ich diese Freiheiten verteidigen darf!

 

Mic Drop! Applaus!

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Jana (Donnerstag, 23 April 2020 15:26)

    Ich bin Fan der ersten Stunde! Danke für deine ehrlichen, bestimmten und motivierenden Worte. Damit sprichst du so viele Frauen da draußen an. Sie sollen das alle lesen und sich nicht mehr kleinkriegen lassen. <3